Dieses Hinweisschild am Linzer Hauptbahnhof ist eine Fälschung

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  • Veröffentlicht am 6. April 2022 um 14:12
  • Aktualisiert am 7. April 2022 um 14:46
  • 5 Minuten Lesezeit
  • Von: Feliks TODTMANN, AFP Deutschland
Hunderte Facebook-User haben Anfang April ein Foto geteilt, das den Eindruck erweckt, die Österreichischen Bundesbahnen gäben Frauen am Linzer Hauptbahnhof per Aushang Sicherheitshinweise. Frauen sollten den Bahnhof demnach etwa nur in Begleitung betreten. Der Aushang ist eine Fälschung, wie das Verkehrsunternehmen und die lokale Polizei bestätigten. Rechte Aktivisten bekannten sich zudem online zu der Aktion.

Seit Anfang April kursiert auf Facebook das Foto eines Schreibens (hier, hier), das angeblich offizielle Verhaltenshinweise für Frauen am Linzer Hauptbahnhof gibt. Hunderte Nutzerinnen und Nutzer teilten das Foto als vermeintlichen Beleg dafür, dass die Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) die Sicherheit ihrer Fahrgäste nicht gewährleisten könnten. Auch auf Telegram und Twitter sahen Tausende den Aushang.

Die Behauptung: Das Bild zeigt ein Schreiben, das angeblich an einem Bahnhof in Linz aushing. In einem roten Balken im oberen Bereich des Aushangs sind ein fahrender Zug sowie die Worte "Ihre Sicherheit ist uns wichtig" zu erkennen. Unter dem in Großbuchstaben gehaltenen Schriftzug "ACHTUNG!" heißt es: "Aufgrund gehäufter Übergriffe am Bahnhofsgelände, können wir Ihre Sicherheit bis auf weiteres nicht mehr gewährleisten." Insbesondere Frauen würden daher gebeten, "das Bahnhofsgelände nach Möglichkeit nur in Begleitung zu betreten". Weiter heißt es, Frauen sollten "freizügige Kleidung" vermeiden, Kopfbedeckungen tragen sowie "1m Sicherheitsabstand zu verdächtigen Personen, insbesondere Gruppen junger Männer" einhalten.

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Facebook-Screenshot der Behauptung: 5.4.2022

Das Layout des Schreibens mit dem roten Balken ist angelehnt an das Design offizieller Aushänge der ÖBB. In der ersten Zeile heißt es: "WICHTIGE MITTEILUNG".  Auch in den unterschiedlichen Facebook-Postings wird der Eindruck erweckt, bei dem Schreiben handele es sich um einen offiziellen Aushang. So heißt es in einem Posting: "Ich habe dies für ein Fake gehalten, aber laut Standard ist dieser Skandal tatsächlich echt." Auch in den Kommentaren unter den Beiträgen überwiegt die Auffassung, der Aushang sei authentisch. Die Tageszeitung "Der Standard" berichtete am 1. April über die angeblichen Warnhinweise am Linzer Hauptbahnhof. Der Artikel weist allerdings deutlich darauf hin, dass es sich bei dem Aushang um eine Fälschung handelt.

Daniel Pinka, Pressesprecher der ÖBB, bestätigte in einem Telefoninterview am 5. April 2022 gegenüber AFP die Existenz des Aushangs. Anfang April seien mehrere Exemplare des Schreibens am Linzer Hauptbahnhof entdeckt worden. Das Schreiben stamme jedoch nicht von der ÖBB. "Es handelt sich dabei um einen Fake-Aushang", sagte Pinka. "Unser Sicherheitsdienst hat die Schreiben umgehend entfernt und entsorgt. Die Polizei hat entsprechende Ermittlungen eingeleitet."

Das bestätigte Simone Mayr-Kirchberger, Sprecherin der Polizeidirektion Oberösterreich, in einer E-Mail vom 4. April 2022 an AFP. Die Schreiben seien von "bislang unbekannten Tätern" im Bereich des Linzer Bahnhofs angebracht worden. Das Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung habe ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Verhetzung eingeleitet.

Am 30. März kam es im Umfeld des Linzer Hauptbahnhofs zu einer Vergewaltigung. Vier jugendliche Tatverdächtige hatten nach Angaben der Linzer Staatsanwaltschaft im Umfeld des Hauptbahnhofs eine 16-Jährige vergewaltigt. Polizisten nahmen drei mutmaßliche Täter in der Nähe des Tatorts fest. Ein vierter Verdächtiger stellte sich am 1. April der Polizei. Die vier Jugendlichen sitzen seitdem in Untersuchungshaft, wie die Staatsanwaltschaft Linz am 6. April telefonisch gegenüber AFP bestätigte.

Rechte Gruppen instrumentalisieren Verbrechen am Linzer Hauptbahnhof

Der Fall sorgte für große Aufmerksamkeit in Österreich und löste eine mediale Debatte über die Sicherheit im Umfeld des Linzer Hauptbahnhofs aus. In der Vergangenheit war es hier Medienberichten zufolge wiederholt zu Straftaten gekommen. Da die vier mutmaßlichen Vergewaltiger alle einen Migrationshintergrund haben, versuchten zudem rechte Gruppierungen, die Tat politisch zu instrumentalisieren. In diesem Zusammenhang entstand auch der Aushang am Linzer Hauptbahnhof.

Die rechte Online-Plattform "Widerstand in Bewegung" veröffentlichte am 4. April 2022 auf Instagram und auf ihrem Telegram-Kanal Bilder, auf denen Aktivisten die Aushänge am Linzer Bahnhof anbringen. In der Bildbeschreibung heißt es: "Patriotische Aktivisten haben am Freitag, den 03.04.2022, Hinweisschilder mit Verhaltensregeln für Frauen am Bahnhof angebracht. Gezeigt werden soll damit, dass Österreich durch zunehmende Migrantengewalt, vor allem Frauen gegenüber, immer unsicherer wird."

Auch der neurechte österreichische Aktivist Martin Sellner teilte den Beitrag auf seinem Telegram-Kanal. Tatsächlich war der 3. April ein Sonntag. Die frühesten Postings in sozialen Netzwerken zu dem Aushang stammen jedoch vom 2. April. Wahrscheinlich wurden die Schreiben bereits am 1. April angebracht.

 
 
 
 
 
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Fazit: Der Aushang ist eine Fälschung. Das bestätigten sowohl die ÖBB als auch die Landespolizeidirektion Oberösterreich. Auf Telegram kursieren zudem Bilder, die zeigen, wie rechte Aktivisten die Schreiben anbringen.

7. April 2022 Rechtschreibfehler in der Einführung korrigiert

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