Dieses Video entstand bei katalanischen Separatismus-Protesten 2019

Hunderte Nutzerinnen und Nutzer haben seit Ende Februar ein vermeintlich aktuelles Video aus Barcelona geteilt, auf dem Zusammenstöße zwischen Polizei und Protestierenden zu sehen sind. In Spanien herrsche Bürgerkrieg, öffentlich-rechtliche Medien würden das aber verschweigen, damit "die Deutschen nicht auf dumme Gedanken kommen", heißt es in den Postings. Die Aufnahme stammt allerdings von Protesten gegen die Katalonien-Politik im Jahr 2019 und hat nichts mit Corona-Maßnahmen zu tun.

Auf einem seit Ende Februar hundertfach auf Facebook geteilten Video (hier, hier, hier) drängt eine große Masse an Menschen bei einer Demonstration mehrere Polizeiwagen zurück. Sie rufen laut Sprechchöre und werfen bengalische Feuer in Richtung der Polizei. Die Postings beschreiben die Szene mit den Worten: "In Spanien herrscht Bürgerkrieg. Hier seht ihr aktuelle Aufnahmen aus Barcelona. Warum man sowas in den öffentlich-rechtlichen Programmen nur selten bis gar nicht sieht? Weil die Deutschen nicht auf dumme Gedanken kommen sollen."

Die Postings selbst nennen den Grund der Proteste dabei nicht, kommentierende User interpretieren sie allerdings als Demonstration gegen Corona-Maßnahmen. Ein hundertfach geteiltes Posting wird etwa in einer Facebook-Gruppe mit der Selbstbeschreibung "Wir decken die Corona-Lügen der Regierung auf!" verbreitet.

In den Telegram-Kanälen der Verschwörungsmythiker Michael Wendler (hier) oder Ken Jebsen (hier) sahen die Behauptung ebenfalls Hunderttausende, zudem teilten impfkritische Kanäle (hier) das vermeintlich aktuelle Video aus Barcelona.

Nutzerinnen und Nutzer verbreiten die Behauptung außerdem tausendfach auf Polnisch und Slowenisch.

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Facebook-Screenshot: 24.02.2021

AFP hat nach einzelnen Bildern aus dem Video gesucht und wurde fündig. Die gezeigten Aufnahmen tauchen etwa in einem Video auf, das bereits am 27. Oktober 2019 auf YouTube veröffentlicht wurde. Es trägt den Titel "Katalonier drängen Bereitschaftspolizei zurück". 

Ein Vergleich von Screenshots aus dem Video (links) mit Ausschnitten aus dem aktuell verbreiteten Posting (rechts) zeigt, dass es sich um dieselbe Aufnahme handelt.

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Screenshot aus dem YouTube-Video von 2019 (links) im Vergleich mit dem aktuell verbreiteten Posting (rechts), Hervorhebungen durch AFP

Ein anderes Video vom selben Tag zeigt dieselben Szenen aus anderer Perspektive. Darin sind andere Merkmale, wie etwa eine Apotheke besser erkennbar. Dadurch konnte AFP feststellen, dass es sich beim Aufnahmeort um die Via Laietana 47 in Barcelona handelt, in unmittelbarer Nähe zum katalanischen Polizeipräsidium.

Was singen die Demonstrierenden?

Im Video rufen die Protestierenden laut Sprechchöre. Sie skandieren "1 d'octubre – ni oblit ni perdó" auf Katalanisch, zu deutsch: "1. Oktober – wir werden nicht vergessen, wir werden nicht vergeben". Am 1. Oktober 2017 fand das Referendum für die Unabhängigkeit Kataloniens statt.

Bei einer von der Regierung in Madrid nicht genehmigten Abstimmung unterstützten damals 90 Prozent der katalanischen Wählenden die Unabhängigkeit der Region. Auf der Grundlage der Abstimmung kündigten katalanische Politiker die Schaffung eines unabhängigen Staates an, was zu einer politischen Krise in Spanien führte. Zwei Jahre nach dem Referendum, am 14. Oktober 2019, verurteilte der Oberste Gerichtshof von Spanien neun Unabhängigkeitsaktivisten wegen Aufruhrs zu Gefängnisstrafen. In Barcelona kam es daraufhin erneut zu Unruhen.

Aktuelle Demonstrationen in Spanien

In Spanien demonstrieren allerdings tatsächlich aktuell Tausende Menschen aufgrund der Verhaftung des katalanischen Rappers Pablo Hasél. Ein spanisches Gericht hatte den Musiker wegen terrorismus- und gewaltverherrlichender Texte sowie Beleidigung des spanischen Königshauses zu einer Haftstrafe verurteilt. In Barcelona kam es daraufhin zu Zusammenstößen mit der Polizei. Demonstrierende legten Feuer und beschädigten Schaufenster. Mehr als 40 Menschen erlitten Verletzungen, die Polizei inhaftierte über 100. Der folgende AFP-Bericht zeigt den 5. Tag der Unruhen in Barcelona:

Diverse Bericht der Medien

Auch die Behauptung, dass öffentlich-rechtliche Medien über die Ereignisse in Spanien nicht berichtet hätten, ist falsch. Öffentlich-rechtliche – und auch andere – Medien in Deutschland und Österreich haben über die Proteste im Februar 2021 gegen die Inhaftierung des Rappers Pablo Hasél berichtet (hier, hier, hier, hier, hier, hier), genauso wie über die Proteste im Zuge Katalonien-Krise im Oktober 2019, von denen das Video eigentlich stammt (hier, hier, hier, hier, hier).

Auch Protesten gegen Corona-Beschränkungen in Barcelona im Oktober 2020 widmeten öffentlich-rechtliche Medien in Deutschland und Österreich Beiträge (hier, hier, hier).

Fazit: Das Video zeigt weder aktuelle Demonstrationen gegen Corona-Maßnahmen noch Proteste gegen die Inhaftierung des Rappers Pablo Hasél in Barcelona. Die Aufnahme stammt aus dem Jahr 2019 und zeigt Zusammenstöße zwischen Befürwortenden der Unabhängigkeit Kataloniens und der Polizei.

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