Ein Mann entzündet eine Kerze am Gedenkort an der Grazer Schule, an der am 10. Juni 2025 ein Amoklauf verübt wurde (AFP / Alex HALADA)

Facebook-Profil wurde fälschlich dem Amokläufer von Graz zugeordnet

  • Veröffentlicht am 12. Juni 2025 um 17:25
  • Aktualisiert am 12. Juni 2025 um 17:30
  • 3 Minuten Lesezeit
  • Von: Johanna LEHN, AFP Deutschland
Am 10. Juni 2025 drang ein 21-Jähriger in eine Schule in Graz ein und tötete bei einem Amoklauf neun Schülerinnen und Schüler, eine Lehrerin und anschließend sich selbst. In sozialen Medien wurde ein Facebook-Profil geteilt, von dem behauptet wurde, es handele sich um das Profil des Täters. Das ist jedoch falsch. Der Profilinhaber veröffentlichte eine Videonachricht, in der er erklärte, nicht der Täter zu sein. Die zuständige Polizeibehörde bestätigte das gegenüber AFP. 

Ein 21-Jähriger tötete am Morgen des 10. Juni 2025 in seiner früheren Schule, einem Oberstufenrealgymnasium in der südostösterreichischen Stadt Graz, neun Schülerinnen und Schüler sowie eine Lehrerin und verletzte elf Menschen schwer. Anschließend beging er auf einer Schultoilette Suizid. Bei dem Schützen soll es sich laut Medien um einen Mann namens Artur A. handeln. Noch am selben Tag begannen Nutzerinnen und Nutzer, in sozialen Medien einen Screenshot eines Facebook-Profils zu teilen, das angeblich dem Schützen gehörte. 

Die Behauptung über das Facebook-Profil ist jedoch falsch. 

Medien berichteten übereinstimmend, dass es sich bei dem Täter um den 21-jährigen Artur A. handelte. Er habe im Bezirk Graz-Umland, genauer in Kalsdorf bei Graz, gewohnt. Dieser Ort geht unter anderem aus der Bildbeschreibung eines AFP-Fotos des Hauses des Täters hervor. 

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Screenshot eines Fotos im AFP Forum vom Wohnhaus des Täters in Kalsdorf bei Graz, wie aus der Bildunterschrift hervorgeht: 12. Juni 2025

Das Profil, das Nutzerinnen und Nutzer fälschlich dem Täter zuschrieben, gehört einem Mann namens Artur Avetisyan aus Leibnitz in der Nähe von Graz. Am 11. Juni 2025, einen Tag nach dem Amoklauf, postete Avetisyan ein Video auf diesem Profil. Darin distanziert er sich von der Tat. Unter anderem sagt er, "dass ich das nicht sein kann, denn ich bin am Leben". Ihn hätten die Vorwürfe tief getroffen, auch sei seine Familie bedroht worden. "Ich wünsche mir, dass das ein Ende hat, denn so eine Tat würde ich nie begehen", erklärt er, spricht den Angehörigen der Opfer sein Beileid aus und appelliert daran, sich zu informieren, bevor Menschen eine Nachricht glauben. Auf AFP-Anfrage bestätigte Avetisyan am 12. Juni 2025, dass er es sei, der in dem Video zu sehen ist. 

Wohnort stimmt nicht überein

Zudem spricht der Wohnort, den Avetisyan in seinem Profil angibt, dagegen, dass es sich bei ihm um den Täter handele. Demnach wohnt er in Leibnitz, der Täter stammte jedoch aus Kalsdorf bei Graz im Bezirk Graz-Umgebung. Leibnitz liegt außerhalb dieses Bezirks. Bei einer Durchsuchung der Wohnung, in der der Täter mit seiner Mutter wohnte, fand die Polizei weitere Waffen. 

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Google-Maps-Screenshot mit Hervorhebungen durch AFP des Bezirks Graz-Umgebung sowie der Orte Kalsdorf bei Graz und Leibnitz: 12. Juni 2025

Die zuständige Landespolizeidirektion Steiermark bestätigte auf AFP-Anfrage am 12. Juni 2025, dass es sich bei Avetisyan, "so wie der Profilinhaber selbst geäußert hat, NICHT um den mutmaßlichen Täter" handele. "Wir haben bereits kommuniziert, dass der Täter aus dem Bezirk Graz-Umgebung stammte", erklärte ein Sprecher. Weitere Informationen gebe die Polizei nicht bekannt. 

Auch der Österreichische Rundfunk (ORF) berichtete über die Falschbehauptung, nachdem sich Avetisyan an den ORF gewandt habe. Demnach habe er auch bei der Polizei um Hilfe gebeten. Diese könne "erst Schutz anbieten, wenn etwas passiert ist", wird Avetisyan zitiert. Sein Fußballverein habe einen Anwalt für ihn eingeschaltet.

In einer gemeinsamen Pressekonferenz am 12. Juni 2025 gaben die Landespolizeidirektion Steiermark und die Staatsanwaltschaft Graz Details zum aktuellen Ermittlungsstand bekannt. Michael Lohnegger, Leiter des Landeskriminalamts Steiermark, beschrieb den Schützen dabei als "eine sehr introvertierte Person", die "extrem zurückgezogen" gelebt habe. Kontakt mit der Außenwelt habe der Mann, der zum Tatzeitpunkt eine Ausbildung absolvierte, vermieden. Das Tatmotiv ist weiterhin unklar. Es gebe keinen Hinweis, dass er in seinem Umfeld je Ärger oder Unmut über die Schule, seine Lehrer oder Mitschüler geäußert habe, sagte Lohnegger.

Fazit: Ein online geteiltes Facebook-Profil gehört nicht dem Täter, der am 10. Juni 2025 an einer Grazer Schule einen Amoklauf verübte. Das bestätigten der Inhaber des Profils und die Landespolizeidirektion Steiermark. Zudem stimmen die Wohnorte des Profilinhabers und des Täters nicht überein.

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