
Experten betonen Wichtigkeit von Sonnencremes als UV-Schutz
- Veröffentlicht am 11. Juni 2025 um 15:14
- 8 Minuten Lesezeit
- Von: AFP Deutschland
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"Sonnencreme ist pures Gift", beginnt ein Mann in einem Instagram-Video vom 24. Mai 2025 auszuführen. Das Video scheint ein Ausschnitt aus einem längeren Video oder einer Podcastfolge zu sein. In einem weiteren Clip, der am selben Tag hochgeladen wurde und ebenfalls ein Ausschnitt eines längeren Gesprächs zu sein scheint, behauptet er, Hautkrebs trete nicht im Gesicht auf.
Die Videos sind auf zwei verschiedenen Instagram-Accounts veröffentlicht worden: gesundheit_total und geheime_medizin. Auf beiden Kanälen sind fast ausschließlich Videos zu finden, in denen derselbe Mann wie in den beiden Clips spricht. In den Kanalbeschreibungen ist jeweils der Account exiled.medic.de genannt. Auf dem Profilbild dieses verlinkten Accounts ist derselbe Mann wie in den Videos zu sehen, ebenso wie in den Beiträgen auf diesem Profil.
Laut Beschreibung wird der Kanal von Fabian Kowallik betrieben, der angibt, einen Master of Science in "Ernährung" absolviert zu haben und "Gesundheitsguru" zu sein. Zudem ist dort ein Online-Shop für Nahrungsergänzungsmittel verlinkt, der auch auf den beiden Kanälen zu finden ist, auf denen die Videos veröffentlicht wurden. Auf der Website des Online-Shops ist Kowallik ebenfalls zu sehen, im Impressum ist er jedoch nicht aufgeführt.
Behauptungen über Sonnencreme und Hautkrebs aufgestellt
In einem der Videos spricht er darüber, dass Sonnencreme "sehr viele krebserregende Stoffe" enthalte und es nicht bedenklich für die Haut sei, wenn sich Menschen 15 bis 30 Minuten ohne Sonnenschutz in der Sonne aufhielten. Außerdem behauptet er, dass die Inhaltsstoffe von Sonnencreme nach etwa einer Stunde in die Blutbahn gelangten. "Wenn du Sonnencreme benutzt, dann nimm Zinkoxid", erklärt er, da dieser ein physischer Schutz sei.
Im zweiten Video stellt er die Frage: "Wieso kriegen wir im Gesicht keinen Hautkrebs?" Das Gesicht sei der Sonne am meisten ausgesetzt, da wir es nicht mit Kleidung bedecken würden. "Melanome, gefährlicher Hautkrebs, entsteht aber nicht im Gesicht", sagt er.
Beide Videos scheinen Ausschnitte von längeren Gesprächen zu sein. Im Video, in dem er über Sonnencreme spricht, antwortet eine zweite Person mit männlich klingender Stimme, die allerdings nicht zu sehen ist. Im zweiten Video ist keine weitere Stimme zu hören, jedoch macht es auch hier den Anschein, als handle es sich bei dem Clip um einen Teil eines längeren Videos. AFP konnte allerdings nicht herausfinden, aus welchen längeren Aufnahmen die Ausschnitte stammen.
Sonnencremes nicht zu lange lagern
Laut Expertinnen und Experten sind einige der Behauptungen von Kowallik, wie sie in den kurzen Ausschnitten dargestellt sind, jedoch irreführend oder falsch.
Zu Beginn des ersten Ausschnitts sagt Kowallik, Sonnencreme sei "pures Gift" und enthalte "sehr viele krebserregende Stoffe". Behauptungen wie diese hat AFP bereits in einem früheren Faktencheck überprüft. Gegenüber AFP erklärte Carola Berking, Direktorin der Hautklinik am Uniklinikum Erlangen und zweite Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Dermatologische Onkologie der Deutschen Krebsgesellschaft, im Juli 2023, dass Sonnencreme nach derzeitiger Studienlage keine Stoffe enthalte, "die direkt krebserregend sind".
Das schließe auch andere Krebsarten neben Hautkrebs mit ein, so Berking. Tests hätten lediglich ergeben, dass in Abbaustoffen von alter Sonnencreme krebserregende Stoffe enthalten seien, die Hautkrebs oder andere Krebsarten verursachen könnten. Zudem sei die Dosis der krebserregenden Stoffe in den Abbaustoffen unklar, erläuterte Berking.
Der Verdacht, krebserregend zu sein, betrifft vor allem Octrocylen. Die deutsche Gesellschaft für Toxikologie erklärte in einem Artikel im August 2024, dass der UV-Filter Octocrylen hormonwirksam sei und bei längerer Lagerung zu Benzophenon zerfallen könne. In Tierversuchen habe sich herausgestellt, dass dieser Stoff Krebs erregen könne. Die Datenlage in Bezug auf Menschen sei jedoch begrenzt, weshalb "Benzophenon international als 'möglicherweise krebserzeugend' eingestuft" werde. Um zu vermeiden, dass Benzophenon durch zu lang gelagerte Sonnencreme in den Körper gelange, so die Gesellschaft für Toxikologie, solle sie "am Ende der Saison am besten entsorgt werden".
Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) geht bei Octocrylen-haltigen Sonnencremes, die auf dem deutschen Markt verfügbar sind, von keiner Gefährdung für Verbraucherinnen und Verbraucher aus.
Auch der Stoff Titandioxid ist online teils umstritten. Dieser Farbstoff wurde im Jahr 2022 als Zusatzstoff in Lebensmitteln in der EU verboten, da er möglicherweise das Ergbut schädigen und potenziell krebserregend sein könnte. In Kosmetika ist Titandioxid jedoch weiterhin erlaubt: Das EU-Komitee für Verbrauchersicherheit erachtet Nanopartikel von Titandioxid in Sonnencremes bis zu einem Gehalt von 25 Prozent als unbedenklich, erklärt das BfR online.
Nach wie vor gilt UV-Strahlung als größter Risikofaktor für Hautkrebs, erklärt der Krebsinformationsdienst des Deutschen Krebsforschungszentrums auf seiner Website. Auch das Bundesinstitut für Öffentliche Gesundheit des Bundesgesundheitsministeriums klärt online über die Gefahren von UV-Strahlung auf. "Kleidung schützt besonders gut vor UV-Strahlung", schreibt die Deutsche Krebsgesellschaft auf ihrer Website. Dicht gewebte, dunkle Stoffe schützten dabei mehr als helle. "Überall wo Kleidung keine Alternative ist, stellen Sonnenschutzmittel wie die Sonnencreme das wichtigste Mittel gegen die UV-Strahlung dar."
Eigenschutz der Haut ist unterschiedlich hoch
Weiterhin wird im geteilten Ausschnitt über Sonnencreme behauptet, dass 15 bis 30 Minuten ohne Sonnenschutz in der Sonne zu verbringen nicht bedenklich für die Haut sei. Die Haut hat eine sogenannte Eigenschutzzeit – so lange kann sich jemand ohne Schutz in der Sonne aufhalten, ohne einen Sonnenbrand zu bekommen, erklärt beispielsweise das Bundesinstitut für Öffentliche Gesundheit. Wie lang diese Eigenschutzzeit ist, hängt jedoch vom jeweiligen Hauttyp ab.
Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen und die Stiftung Gesundheitswissen schlüsseln online die Varianten auf: Für Menschen mit sehr heller Haut, also Hauttyp eins, beträgt die Eigenschutzzeit demnach fünf bis zehn Minuten. Menschen mit sehr dunkler Haut könnten sich auch über eine Stunde ohne Sonnencreme in der Sonne aufhalten, ohne einen Sonnenbrand zu bekommen. Diese Einteilung bestätigt auch das Bundesinstitut für Öffentliche Gesundheit.
Im online verbreiteten Ausschnitt zu Sonnencreme heißt es weiter, sie würde in die Blutbahn gelangen. Tatsächlich bestätigen "neuere Studien mit organischen UV-Filtern" diese Behauptung, wie aus dem Artikel der Gesellschaft für Toxikologie hervorgeht. Deshalb sei es wichtig, "dass sie (die UV-Filter, Anm. d. Red.) gesundheitlich unbedenklich sind".
Kowallik rät in dem Ausschnitt deshalb zu Zinkoxid. Das sei ein "physischer Schutz, der nicht in deine Haut geht". AFP überprüfte bereits weitere Behauptungen über die Aufnahme von Sonnencreme in die Blutbahn. Wer sich wegen der Aufnahme in den Blutkreislauf sorge, "kann physikalische (mineralische) Sonnenschutzmttel verwenden – Titandioxid und Zinkoxid", erklärte Anthony Rossi, Dermatologe und Assistenzarzt am Memorial Sloan Kettering Cancer Center und am New York Presbyterian Hospital sowie Assistenzprofessor am Weill Cornell Medical College in New York City gegenüber AFP im Juli 2024.
Zinkoxid ist ein mineralischer UV-Filter, der in Nanopartikeln in Sonnencremes verwendet wird. Laut BfR gilt Zinkoxid bis zu einer Konzentration von 25 Prozent als gesundheitlich unbedenklich. Als mineralischer Filter dringt er nicht in den Blutkreislauf ein: "Bisherige toxikologische Prüfungen ergaben, dass nur wenige dieser Partikel in die Haut eindringen, dort in den oberen Hautschichten verweilen und nach einigen Tagen durch das Wachstum der Haare wieder an die Hautoberfläche transportiert und abgerieben werden", erklärt das BfR.
Hautkrebs entsteht auch im Gesicht
Im zweiten Ausschnitt wird behauptet, dass Melanome nicht im Gesicht entstehen würden. "Das ist eindeutig falsch", erklärte Franz Kohlhuber, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Krebshilfe, auf AFP-Anfrage am 2. Juni 2025. "Melanome können überall am Körper entstehen, dies gilt auch für das Gesicht." Das bestätigte auch Titus Brinker, Dermatologe und Abteilungsleiter Digitale Prävention und Diagnostik im Deutschen Krebsforschungszentrum, gegenüber AFP am 28. Mai 2025.
Das Zentrum für Krebsregisterdaten des Robert-Koch-Instituts verwies AFP in seiner Antwort vom 28. Mai 2025 auf die prozentuale Verteilung von Hautkrebs nach Körperregion, die auch online einsehbar ist. Demnach treten 13 Prozent aller malignen Melanome, also von schwarzem Hautkrebs, bei Frauen an Kopf und Hals auf. Bei Männern sind es 17 Prozent. Am häufigsten betroffen sind bei Frauen Beine und Hüfte, bei Männern ist es der Rumpf.

Kohlhuber von der Deutschen Krebshilfe ging in seiner Antwort auch auf die Hauptursache für Melanome ein: "Der wichtigste Risikofaktor für das Entstehen von Melanomen ist die ultraviolette UV-Strahlung, insbesondere wiederkehrende intensive Belastungen durch Sonnenbaden und Solarienbesuche."
AFP hat Kowallik um eine Stellungnahme zu seinen Behauptungen gebeten. Er distanzierte sich in einer E-Mail vom 5. Juni 2025 von den Accounts, auf denen die Ausschnitte veröffentlicht wurden und teilte mit, die Betreiber beider Accounts aufgefordert zu haben, die Videos zu löschen. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Artikels sind beide Videos weiterhin online. Zudem nimmt Kowallik Abstand von der Aussage über Hautkrebs im Gesicht, da ihr in dem online geteilten Ausschnitt Kontext fehle. Er erklärte, dass er sich im Falle der krebserregenden Stoffe auf den Stoff Octocrylen beziehe. Bei längerer Lagerung kann er zu Benzophenon abgebaut werden, was im Verdacht steht, hormonähnlich zu wirken und krebserregend zu sein. Laut BfR wird Octocrylen nur noch selten in Sonnencremes verwendet.
In den Originalaufnahmen weise er laut eigener Aussage darauf hin, dass es sich bei den Ausführungen um eigene Überlegungen, jedoch keinen medizinischen Rat handele und Zuschauerinnen und Zuschauer sich an ärztlichen Rat halten sollten. Der Hinweis "kein medizinischer Rat" findet sich nur in der Beschreibung des Videos zu Sonnencreme auf dem Account gesundheit_total. Im Falle des zweiten Ausschnitts auf dem Kanal geheime_medizin ist kein solcher Hinweis hinzugefügt.
In Deutschland sind laut dem Zentrum für Krebsregisterdaten im Jahr 2022 rund 25.450 Menschen an malignem Melanom, also schwarzem Hautkrebs, erkrankt. Das sind die aktuellsten Daten des Zentrums. Männer waren in diesem Jahr etwas häufiger betroffen als Frauen, seit 2012 sind die jährlichen Fallzahlen männlicher Erkrankter etwa gleich geblieben. Bei Frauen sind die Zahlen leicht rückläufig.
Weitere Faktenchecks zu Gesundheitsthemen sammelt AFP auf der Website.
Fazit: Sonnencreme schützt wirksam vor UV-Strahlung und steht nicht im Verdacht, krebserregend zu sein. Zudem kann auch das Gesicht von Hautkrebs betroffen sein, wie Zahlen der Deutschen Krebsregisterdaten zeigen und Fachleute bestätigten.