Deutschlandfahne mit Adler ist außerhalb der EM 2024 nur staatlichen Institutionen vorbehalten

Sie hängen zur EM 2024 an Balkonen, Autos und werden auf Fanmeilen in die Luft gereckt: Deutschlandfahnen. In sozialen Medien kursiert die Falschbehauptung, nach der Europameisterschaft sei das Schwenken der schwarz-rot-goldenen Fahne verboten und werde mit 1000 Euro Bußgeld geahndet. Tatsächlich gilt das jedoch nur für Flaggen, auf denen der Bundesadler prangt. Die sogenannte Bundesdienstflagge ist auch bisher bereits staatlichen Institutionen vorbehalten – zu Ereignissen wie der EM gilt eine Sonderregelung.

"Das Schwenken der Deutschlandfahne soll jetzt laut Münchner Merkur nach der EM mit bis zu 1000 Euro Geldstrafe geahndet werden", erklärt ein Mann vor einer Deutschlandfahne in einem Video, das seit kurz vor der Eröffnung der Europameisterschaft Mitte Juni 2024 auf Facebook, Tiktok, X und Telegram geteilt wird. Auf eine Fahne der Niederlande im Hintergrund zeigend macht er sich über die Deutschen lustig: "Was ist eigentlich mit den Holländern, gilt das für die auch? Nee, die Holländer sind ja nicht irre, aber wir, wir sind anscheinend wirklich irre."

Image
Screenshot der Behauptung auf X: 17. Juni 2024

Die verbreitete Behauptung ist jedoch irreführend. Im Video wird auf einen Artikel der Nachrichtenwebsite "Merkur" mit der Überschrift "EM 2024 in Deutschland: Fahnen sollen direkt danach entsorgt werden – Strafe droht" verwiesen (hier archiviert). Erst später im Artikel löst die Autorin auf: Die Strafe gilt nur für die sogenannte Bundesdienstflagge und jene, die ihr ähnlich sehen. 

Bundesdienstflagge ist dem Staat vorbehalten

Auf der Bundesdienstflagge ist das Bundesschild mit einem Adler zu sehen. "Alle Stellen des Bundes führen die Bundesdienstflagge", erklärt die Bundesregierung online (hier archiviert). Ihnen ist die Verwendung auch vorbehalten. Das heißt im Umkehrschluss: Hissen nichtamtliche Institutionen oder Privatpersonen die Bundesdienstflagge, begehen sie eine Ordnungswidrigkeit. Diese kann laut Ordnungswidrigkeitengesetz "mit einer Geldbuße geahndet werden" (hier archiviert). Die Höhe der Geldstrafe legt der Paragraph nicht fest. Der Website dejure.org zufolge gab es zu diesem Paragraphen in der bundesdeutschen Geschichte aber bislang nur wenige Rechtsprechungen.

Neben der Bundesdienstflagge, dessen Aussehen im Bundesgesetzblatt genau festgelegt ist, gibt es die schwarz-rot-goldene Fahne, auf der das Bundeswappen abgedruckt ist. Die Form des Wappens, die Darstellung des Gefieders und der Klauen des Adlers sowie seine Blickrichtung unterscheiden sich vom Bundesschild. Eine Fahne mit diesem Wappen ist zwar nicht die offizielle Flagge staatlicher Stellen, sieht der Bundesdienstflagge jedoch sehr ähnlich. 

Deshalb darf auch sie privat nicht verwendet werden, erklärt die Bundesregierung. Laut Ordnungswidrigkeitengesetz gilt das Verbot auch für Fahnen, die der Bundesdienstflagge "zum Verwechseln ähnlich sind". Die Bundesregierung präzisiert: "Die Verwechslungsgefahr liegt dann vor, wenn bei einem unbefangenen Dritten unter Anlegung des Drei-Sekunden-Blicks der Eindruck entsteht, dass es sich um ein Dienstgebäude des Bundes oder eine amtliche Tätigkeit handelt." Flaggen mit Adlern, die als "reine Fantasiegebilde" erkennbar sind, fallen nicht unter diese Regelung. Geschäftlich darf die Bundesflagge laut Markengesetz nur nach Genehmigung verwendet werden.

Image
Die Bundesdienstflagge weht im Hafen der Bundesmarine in Wilhelmshaven am 7. Mai 2024. Ihr Schild ist abgerundet, der Adler schaut nach rechts. (AFP / FOCKE STRANGMANN)
Image
Eine Frau zeigt in Gedenken an den in El Paso (Texas, USA) erschossenen Deutschen Alexander Hoffmann am 6. August 2019 eine Deutschlandfahne mit Bundeswappen darauf. Dessen Schild läuft spitz zu, der Adler schaut nach links. (AFP / Mark RALSTON)

Erst im Mai 2024 sorgte die Verwendung einer Deutschlandfahne für Schlagzeilen: Während einer Demonstration zum 1. Mai in Berlin-Neukölln wurde mit Feuerwerk nach einem Mann geworfen, der mit einer Deutschlandflagge auf seinem Balkon stand. Nicht nur gegen den Demonstranten, der die Pyrotechnik warf, wurden Ermittlungen aufgenommen, sondern auch gegen den Mann mit der Fahne, da das Bundeswappen darauf zu sehen war.

Europameisterschaft ist eine Ausnahme

Es gibt jedoch eine Ausnahme: Finden Großereignisse im Land statt, wozu die Europameisterschaft 2024 in Deutschland zählt, kann es der Bundesregierung zufolge "als Ausdruck der nationalen Verbundenheit" und damit "als 'sozialadäquat'" gesehen werden, die Bundesdienstflagge oder die Flagge mit Bundeswappen zu schwenken oder beispielsweise im Garten zu hissen.

Dass Bürgerinnen und Bürger die Deutschlandfahne ohne Adler nutzen, sei "vom Grundgesetz gewollt" und durch Art. 2 und 5 geschützt. Auch hier gibt es jedoch Grenzen: Verunglimpft jemand die Flagge, drohen ihm oder ihr dem Strafgesetzbuch zufolge eine Freiheits- oder Geldstrafe. Gleiches gilt demnach, wenn jemand die Bundesdienstflagge oder die offiziellen Flaggen der Länder "entfernt, zerstört, beschädigt, unbrauchbar oder unkenntlich macht oder beschimpfenden Unfug daran verübt".

Fahnen auf Fanmeile und für Bundespolizei erlaubt

Andere Beiträge teilen ein Video des AfD-Bundestagsabgeordneten Bernd Schattner auf der Berliner Fanmeile am Brandenburger Tor und behaupten, Deutschlandfahnen seien bereits während der EM verboten, da an Verkaufsständen auf der Fanmeile keine zu sehen seien. Aufgrund der Ausnahmeregelung gilt das jedoch nicht. Auch auf der Fanmeile ist die deutsche Fahne erlaubt. Laut Veranstalter dürfen die Flaggen aller 24 teilnehmenden Länder mit auf das Gelände genommen werden, berichtete die "Berliner Morgenpost". Flaggen anderer Länder, insbesondere Israels und der palästinensischen Gebiete, sind nicht gestattet, da die Fanmeile kein Ort für Kundgebungen sein solle.

Image
Fußballfans mit Deutschlandfahnen auf der Fanmeile am Brandenburger Tor kurz vor dem Eröffnungsspiel der EM zwischen Deutschland und Schottland am 14. Juni 2024 (AFP / RALF HIRSCHBERGER)

Schattner spricht im Video eine weitere Diskussionen um die Deutschlandflagge im Vorfeld der EM an. So hieß es laut Medienberichten im Frühjahr für die Bundespolizei und in den allermeisten Bundesländern, die Polizei dürfe keine Deutschlandfahne an ihren Fahrzeugen befestigen. Verwiesen wurde auf das Neutralitätsgebot. Auch zur WM 2006 war das schon Thema. Pünktlich zum Eröffnungsspiel erklärte Innenministerin Nancy Faeser (SPD) jedoch, dass die Bundespolizei die deutsche Flagge an Dienstfahrzeugen verwenden dürfe.

Fazit: Die Deutschlandfahne ohne Wappen darf auch nach der EM straffrei geschwenkt werden. Die Bundesdienstflagge ist als Hoheitszeichen jedoch staatlichen Institutionen vorbehalten und darf außerhalb der Europameisterschaft nicht von Privatpersonen verwendet werden. Auch Fahnen mit Adler, die der Bundesdienstflagge zum Verwechseln ähnlich sehen, fallen unter das Verbot. Die EM als gesellschaftliches Großereignis stellt hier eine Ausnahme dar.

Haben Sie eine Behauptung gefunden, die AFP überprüfen soll?

Kontaktieren Sie uns