Anzeigen in sozialen Medien für den Kauf verlorener Koffer sind gefälscht
- Veröffentlicht am 19. Juni 2024 um 14:52
- 6 Minuten Lesezeit
- Von: Katharina ZWINS, AFP Österreich
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"Verlorenes Gepäck für nur 2 Euro", heißt es in Postings, die seit Monaten auf Facebook kursieren. Dazu werden Fotos unzähliger, scheinbar herrenloser Koffer auf Flughäfen geteilt. Darauf abgebildet sind zudem Schilder mit dem Preis in Euro sowie unterschiedliche Flughafenkürzel. "Wir müssen das verlorene Gepäck unserer Kunden schnell loswerden, da wir die Eigentümer nicht ausfindig machen konnten und unser Inventar voll ist! Handys, Laptops, wertvoller Schmuck und viele andere coole Dinge finden sich oft in Koffern", heißt es in den Beiträgen etwa.
AFP fand derartige Anzeigen von Accounts, die angeblich von den Flughäfen München, Frankfurt, Berlin oder Wien stammen sollen. Häufig werden die Postings nach wenigen Tagen gelöscht. Kurz danach erscheinen regelmäßig neue, fast idente Beiträge.
Tatsächlich sind die Beiträge Fälschungen. Experten und Expertinnen erklärten gegenüber AFP, dass es sich um "Betrug" handle. Mit gefälschten Websites wird versucht, persönliche Daten abzugreifen oder auch Geld zu machen.
In den Kommentaren finden sich Fotos von Usern, die angeblich Koffer gekauft haben und "sehr zufrieden" seien. "Im ersten Koffer fand ich einen Laptop und goldene Ohrringe. Ich freue mich auf den zweiten Koffer. Es ist wie eine Lotterie, nur besser, hier gewinnt man immer", schrieb etwa eine Nutzerin, deren Profilbild von zahlreichen unterschiedlichen Accounts (etwa hier und hier) verwendet wird, unter einen Facebook-Beitrag.
Scams zur Abgreifung persönlicher Daten
Bei den Postings handelt es sich meist um Anzeigen auf Facebook. User werden dazu aufgefordert, auf eine Website zu klicken und dort "eine Bestellung" aufzugeben. Auf der verlinkten Internetseite finden sich jedoch entweder keine Informationen über den vermeintlichen Kofferverkauf oder es erscheint eine Fehlermeldung und die Seite ist nicht mehr erreichbar.
Die Namen der Websites muten häufig unseriös an und haben Adressen wie etwa "dailysale6.space" oder "fly1sale1.quest". Oft erscheinen im Browser selbst Warnmeldungen vor dem Besuch der Websites, wie etwa bei einem Posting des Accounts "Flughafen-Frankfurt". Hier heißt es zum Beispiel: "Dies ist keine sichere Verbindung, Hacker könnten versuchen, deine Daten von fly1sale1.quest zu stehlen, zum Beispiel Passwörter, Nachrichten oder Kreditkartendaten."
Aus Medienberichten geht zudem hervor, dass User in der Vergangenheit teilweise auch auf Websites mit gefälschten Flughafen-Logos weitergeleitet wurden. Es folgte der Aufruf zur Eingabe persönlicher Daten. Danach wurden Nutzerinnen und Nutzer auf eine Bezahlseite weitergeleitet.
Fachleute warnen vor Betrugsmasche
Die österreichische Informationsplattform zu Internet-Betrug Watchlist-Internet berichtete Ende 2023 auch über Fälle, in denen User in so einem Fall zu einem "Gewinnspiel" weitergeleitet wurden. Für die Teilnahme musste eine Gebühr von rund zwei Euro mittels Kreditkarte bezahlt werden. Die Plattform warnte auf ihrer Website: "Die eingegebenen Kreditkartendaten landen in den Händen Krimineller, die anschließend behaupten, dass Sie ein Abo von 40€/Monat abgeschlossen haben!"
Auf AFP-Anfrage schrieb Valentine Auer, Redakteurin bei Watchlist Internet, am 18. Juni 2024, dass es sich tatsächlich bei den meisten solcher Betrugsmaschen um Abo-Fallen handle. Dabei werden in sozialen Medien, per E-Mail oder auch per Whatsapp, Geschenke, Gewinne oder Produkte zu einem enorm günstigen Preis angeboten. Nach der Eingabe der Kreditkarteninformationen schnappe die Falle zu, schrieb Auer: "Meistens gibt es auf der Seite versteckte Kostenhinweise (manchmal gibt es aber auch keine Kostenhinweise) und die Opfer landen in einer Abo-Falle. Ihnen wird also wöchentlich oder monatlich Geld von ihrer Kreditkarte abgebucht." Bei nicht abrufbaren Websites gehe sie davon aus, dass diese offline genommen wurden: "Es gab also sehr wohl eine dazugehörige betrügerische Website, sie wurde aber eventuell schon gesperrt."
Auch für Walter Seböck, assoziierter Professor für Security Studies an der Donau-Universität Krems, ist diese Art von Betrug nicht neu. Er schrieb AFP am 17. Juni 2024, dass die Anzeigen der zu verkaufenden Koffer "mit gefälschten Bildern, auf denen die Täfelchen des entsprechenden Flughafens ausgetauscht werden" lediglich vorgeben würden, den Kauf von verlorenem Gepäck anzubieten. "Es wird die Möglichkeit eines schnellen finanziellen Gewinns suggeriert. In diesem Fall handelt es sich um die Aussicht auf hochpreisige Koffer oder Taschen mit vermeintlich wertvollem Inhalt." Die Bilder der Koffer und deren Inhalte, sowie die euphorischen Postings, würden dazu dienen, diese Erwartung zu wecken. Es komme zu umgehenden Abbuchungen nach Eingabe der Kreditkartendetails.
Weitere Möglichkeiten, die sich "für die Kriminellen" ergeben würden seien laut Seböck auch Identitätsdiebstahl oder Phishing-Angriffe. Es sei zudem eine einfache Methode des Betrugs, da die Urheber schwer zurückzuverfolgen seien: "Aus diesem Grund wird diese Form, solange es keine elektronischen Möglichkeiten gibt, das zu verhindern, weitergehen und eher noch zunehmen."
Wilfried Honekamp, Professor für Polizeitechnik mit Schwerpunkt Digitalisierung und Leiter des deutschen Polizeitechnischen Instituts in Münster, schrieb AFP am 13. Juni 2024, dass mit dem Abgriff persönlicher Daten wie E-Mail-Adresse und Bankdaten "viele Arten von Straftaten" begangen werden könnten: "Am einfachsten können die Daten in Paketen verkauft werden, um beispielsweise dann von Spammern missbraucht zu werden." Zudem warnte er vor unrechtmäßigen Abbuchungen.
Durchgeführt würden derartige Scams in der Regel von "gut organisierten Banden aus dem Ausland", schrieb Honekamp. "Vornehmlich in Staaten, in denen solche Vergehen unter deutlich glimpflicher Strafe stehen als in Deutschland, wenn sie denn dort überhaupt verfolgt werden."
Gefälschte Flughafen-Accounts auf Facebook
Die Postings werden demnach von gefälschten Accounts abgesetzt. Eine nähere Betrachtung zeigt, dass die jeweiligen Facebook-Konten nicht seriös anmuten. Der offizielle Facebook-Account des Flughafens München trägt etwa den Namen "Munich Airport", wie ein Sprecher des Flughafens AFP am 16. Mai 2024 schrieb. Bei der Facebook-Seite "Flughafen Munchen", die den Koffer-Verkauf postete, handelt es sich somit um eine Fälschung. Es fällt auch ein Schreibfehler auf: München wird fälschlich mit U statt mit Ü geschrieben. Außerdem fehlt ein Impressum.
Auch andere Accounts, die derartige Beiträge teilen, sind gefälscht, wie etwa eine Sprecherin des Flughafens Berlin gegenüber AFP in einem Telefonat am 7. Juni 2024 erklärte. Ein Sprecher des Flughafens Frankfurt schrieb dasselbe in Bezug auf Frankfurt in einer Nachricht an AFP vom 7. Juni 2024. In einem Posting vom Oktober 2023 warnte der Flughafen sogar explizit vor Fake-Accounts.
Auf den jeweiligen Websites der Flughäfen finden sich des Weiteren keine Hinweise zu einem Verkauf von Koffern um zwei Euro. Eine umgekehrte Bildersuche mit den geteilten Koffer-Fotos ergab, dass diese Bilder in der Vergangenheit vermehrt in einem anderen Kontext verbreitet wurden und mit einem Verkauf von Gepäck in keinerlei Zusammenhang stehen.
Herrenlose Koffer werden versteigert
Gegenüber AFP hieß es von Seiten des Flughafens Frankfurt, dass liegengebliebenes, nicht abgeholtes Gepäck in Versteigerung gehe, sollte dieses nicht binnen drei Monaten zugeordnet werden können. "Diese übernehmen externe Dienstleister im Auftrag der jeweiligen Airline."
Das bestätigte auch ein Sprecher des Flughafens München. In Bezug auf die online kursierenden "Fakes" habe der Flughafen zudem bereits Facebook kontaktiert sowie bei der Kriminalpolizei Anzeige gegen Unbekannt erstattet: "Nach unseren Informationen sind die Seiten im Ausland registriert und schwer bis gar nicht zu greifen. Bei uns sind solche Seiten im Januar 2022 erstmals aufgetaucht. Betroffene Passagiere/Seiten-Nutzer können wir auch nur an die Kripo verweisen."
AFP hat sich bereits in der Vergangenheit mit derartigen Scams in Südafrika auseinandergesetzt.
Fazit: Angeblich bieten Flughäfen verlorene Koffer für zwei Euro an. Die verbreiteten Anzeigen auf Facebook sind jedoch Fälschungen. Betrüger versuchen, sowohl persönliche Daten als auch Geld zu erlangen.