Nein, die Polizei im Harz fahndet nicht nach einem weißen Lieferwagen, der Kinder anlockt

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  • Veröffentlicht am 29. Juli 2021 um 15:29
  • 2 Minuten Lesezeit
  • Von: Jan RUSSEZKI, AFP Deutschland
Hunderte Facebook-User haben seit Ende Juni eine Behauptung geteilt, wonach ein Mann in Sachsen-Anhalt versuche, mit Katzenbabys Kinder zu einem weißen Transporter zu locken. Die Polizei sei über diesen Vorfall informiert worden, heißt es in den Postings. Die örtliche Polizei dementierte den Fall allerdings gegenüber AFP. Auch die Lokalzeitung vor Ort sprach in Bezug auf den Transporter von einer Falschinformation.

Hunderte Facebook-User haben die Lieferwagen-Behauptung seit dem 24. Juli geteilt. Einen Tag zuvor kursierte die Behauptung bereits in lokalen Facebook-Gruppen (hier, hier, hier).

In der Umgebung von Wegeleben, Hedersleben und Ditfurt in Sachsen-Anhalt fahre "ein Mann mit einem weißen Lieferwagen rum, der Kinder ran lockt und sagt, das er in dem Wagen Katzenbabys hat", heißt es auf einer Texttafel. Außerdem wird gewarnt: "Passt auf eure Kinder auf und klärt sie auf, das sie sich nicht auf den Mann einlassen sollen!!!"

Die Verfasserin des verbreitetsten Postings beschrieb den Texttafel-Post zusätzlich mit den Worten: "Die Polizei ist verständigt, sollte jemand ein verdächtiges Auto sehen meldet euch umgehend bei der Polizei." In der Kommentarspalte zu ihrem Posting fügt die Autorin, dass diese Informationen von betroffenen Eltern und Kindern stammten.

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Facebook-Screenshot: 29.07.2021

Seit Jahren teilen User Geschichten in sozialen Medien, wonach weiße Transporter an unterschiedlichsten Orten Kinder entführen oder anlocken würden. Verschiedene Faktencheck-Plattformen und Medien sind solchen Gerüchten in der Vergangenheit bereits nachgegangen. Sie stellten sich immer wieder als haltlos heraus (hier, hier, hier).

Was ist an diesem aktuellen Fall dran?

AFP hat am 26. Juni das in den betroffenen Orten zuständige Polizei Harz zu dem weißen Lieferwagen mit den Katzenbabys befragt. Polizeisprecher Uwe Becker antwortete in einer E-Mail: "Wir wurden über keinen weißen Transporter in Wegeleben, Hedersleben, Ditfurt und Umgebung informiert, aus dem heraus Kinder mit Katzenbabys angelockt werden sollen. Im Polizeirevier Harz liegen weder über den geschilderten Sachverhalt noch über einen in diesem Zusammenhang stehenden weißen Transporter Erkenntnisse vor." Die Polizei ermittle in diesem Fall nicht und habe auch keine Bitte formuliert, verdächtige Fahzeuge zu melden.

Auch die "Mitteldeutsche Zeitung", die eine Lokalredaktion im benachbarten Quedlinburg betreibt, hat keine Hinweise auf diesen Fall. Am 27. Juli schrieb der Leiter dieser Lokalredaktion, Ingo Kugenbuch: "Wir haben in der Vergangenheit über weiße Lieferwagen geschrieben, die angeblich Kinder anlocken, und über weiße Lieferwagen, die angeblich Katzen fangen. Von weißen Lieferwagen, die mit Katzen Kinder anlocken, höre ich zum ersten Mal. Sehr wahrscheinlich wird dieser weiße Lieferwagen wieder nur eine Falschmeldung sein."

Wiederkehrende Falschmeldung

Tatsächlich scheinen in der Region solche Gerüchte immer wieder aufzutauchen. Polizeisprecher Becker schrieb dazu: "Es ist nicht selten, dass derartige Meldungen in den sozialen Medien gepostet, ungeprüft geteilt werden und somit unnötige Ängste schüren."

Die "Mitteldeutsche Zeitung" veröffentlichte am 29. Juli zudem einen Artikel zum aktuellen Fall. Darin erklärt der Polizeisprecher, dass die Polizei im September 2016 zu einer ähnlichen Behauptung über einen weißen Lieferwagen ermittelt habe. Der Fall habe sich schließlich ebenfalls als Falschmeldung herausgestellt. So auch ein Fall mit angeblich mit Drogen versetzten Süßigkeiten, die im November 2020 angeblich vor Ort an Kinder verteilt worden sein sollen.

Fazit: Der in dem Facebook-Posting beschriebene Transporter wurde nie der Polizei gemeldet. Es gibt auch keine Belege dafür, dass jemand in einem weißen Lieferwagen in der Umgebung von Wegeleben, Hedersleben und Ditfurt in Sachsen-Anhalt versucht hat, Kinder mit Katzenbabys anzulocken. Sowohl die örtliche Polizei als auch die lokale Zeitung gehen von einer Falschinformation aus.

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