Nein, diese Aufnahme zeigt keine australischen Militärschiffe, die ein Boot mit Flüchtenden rammen

 

Tausende Nutzerinnen und Nutzer haben im Juni ein Bild auf Facebook geteilt, auf dem zwei größere Schiffe ein kleineres von beiden Seiten rammen. Das Manöver zeige die harte Einwanderungspolitik Australiens, heißt es in den Postings. Mit Australien hat die Szene jedoch gar nichts zu tun – sie stammt aus dem Jahr 2012, als die japanische Küstenwache chinesische Aktivistinnen und Aktivisten im Ostchinesischen Meer abdrängte.

Zwei Schiffe rammen ein kleineres Boot und zwingen es in ihre Mitte – dieses Bild haben im Juni erneut Tausende Nutzerinnen und Nutzer auf Facebook als Beleg für die harte australische Einwanderungspolitik geteilt (hier, hier). Das aktuell geteilte Posting enthält neben der Aufnahme der drei Boote noch den Screenshot eines Postingtexts eines älteren Facebook-Beitrages vom September 2020. Darin steht: "So macht man das in Australien: Zwei Militärschiffe rammten einen mit illegalen Einwanderern beladenen Kahn, der nicht auf Anhalteaufforderungen reagierte. Die illegalen Einwanderer wurden alle zurückgeschickt, die Besatzungsmitglieder verhaftet und der Kahn verschrottet."

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Facebook-Screenshot: 22.06.2021

Eine Bildersuche nach der Aufnahme mit den drei Booten führt zu zahlreichen Nachrichtenartikeln aus dem Jahr 2012. Das jetzt verbreitete Foto fand etwa bereits in den englischsprachigen Medien "New York Times", "Bloomberg" und "National Post" Verwendung. Genauso verwendeten die deutschsprachigen Medien "Tagesanzeiger", "Welt" und "Handelsblatt" das Foto. Aufgenommen hat es der Fotograf Masataka Morita für die japanische Tageszeitung "Yomiuri Shimbun". Auch die Nachrichtenagentur "Associated Press" hat das Foto in ihrer Bilddatenbank gespeichert, dort ist es auf den 15. August 2012 datiert. Die genannten Medien berichten alle von einem Konflikt im August 2012 zwischen Japan und China im Ostchinesischen Meer. Am 15. August 2012 gab es dort eine Eskalation zwischen den beiden Konfliktparteien.

Im Ostchinesischen Meer schwelt seit langer Zeit ein Streit um die Hoheitsrechte über eine Felseninselgruppe. Japan, China und auch Taiwan erheben Anspruch auf die Inseln, die in China Diaoyu und in Japan Senkaku heißen. Beim Konflikt um die Inselgruppe geht es um viel: vermutete Bodenschätze wie Öl und reiche Fischbestände sowie die politische Vormachtstellung in der Region. Japan erklärte die Inselgruppe 1895 zu seinem Hoheitsgebiet und kontrollierte die Inseln bis zu seiner Niederlage im Zweiten Weltkrieg 1945. Nach Jahrzehnten US-amerikanischer Verwaltung gaben die USA die Inseln 1972 schließlich an Japan zurück. China pocht hingegen darauf, das Gebiet in alten Seekarten schon weit früher für sich reklamiert zu haben. 

Am 15. August 2012 machten sich mehrere chinesische Aktivisten und Aktivistinnen in diesem Zusammenhang von Hongkong aus auf den Weg zu der Inselgruppe. Dort hissten sie Flaggen Chinas und Taiwans, um den eigenen Anspruch auf die Inseln zu unterstreichen. Japan nahm die Gruppe aufgrund von Verletzungen von Einreisebestimmungen fest. Einer der Aktivisten sagte damals gegenüber AFP, die japanische Küstenwache habe ihr Boot zuvor über eine lange Zeit auf dem Meer eskortiert. Davon gibt es auch Filmaufnahmen, etwa von der englischsprachigen japanischen Zeitung "The Japan Times":

 

Ein Screenshot aus dem "Tagesanzeiger"-Artikel über die Festnahme der Aktivisten, in dem das aktuell geteilte Foto ebenfalls vorkommt, zeigt außerdem: Auf den äußeren Schiffen steht groß der Schriftzug "Japan Coast Guard", also japanische Küstenwache. Das mittlere Boot führt am Bug außerdem gut sichtbar eine rote Flagge, die im Video von "The Japan Times" als chinesische Flagge erkennbar ist.

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Screenshot des "Tagesanzeiger"-Artikels über den Inselstreit, Hervorhebungen durch AFP

 

Fazit: Es gibt keinen Zusammenhang des Fotos mit australischer Migrationspolitik. Bei dem abgedrängten Boot handelt es sich um ein Boot chinesischer Aktivistinnen und Aktivisten, das im Konflikt um eine Inselgruppe im Ostchinesischen Meer von der japanischen Küstenwache im Jahr 2012 eingezwängt wurde. Auch mehrere Faktenchecks der Behauptung kamen in der Vergangenheit bereits zum selben Ergebnis (DPA, APA, Mimikama, Maldita).

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