Dieses Bild zeigt Olaf Scholz bei einem DDR-Besuch der Jusos bei Egon Krenz

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  • Veröffentlicht am 14. Dezember 2021 um 15:37
  • Aktualisiert am 14. Dezember 2021 um 15:37
  • 4 Minuten Lesezeit
  • Von: Jan RUSSEZKI, AFP Deutschland
Tausende Facebook-User haben seit Anfang November ein Bild geteilt, das den Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) angeblich bei einer Pressekonferenz mit RAF-Logo im Jahr 1984 zeigt. Das Bild ist manipuliert. Es zeigt den jungen Olaf Scholz bei einem Treffen der Jungsozialisten (Jusos) mit SED-Politiker Egon Krenz. Ein RAF-Logo war damals aber nicht zu sehen und auch sonst gab es hier keine Verbindungen mit der Roten Armee Fraktion.

Mehr als 2.800 Facebook-User haben seit dem 1. November das Bild mit Olaf Scholz und dem Logo der linksextremen Terrorgruppe "Rote Armee Fraktion" (RAF) geteilt (hier, hier, hier). Auf auf Telegram sahen es Zehntausende.

Die Falschbehauptung: Das Bild zeigt Olaf Scholz unter einem RAF-Logo. User verstehen das als Beweis für eine RAF-nähe des neuen Bundeskanzlers. Auf Telegram heißt es in einem Post zum Bild: "Olaf Scholz, vom langhaarigen Bombenleger der RAF, zum Mann mit der hautfarbenen Badekappe und 'Bundeskanzler' der sog. ‘Bundesrepublik Deutschland’?" Ein Facebook-Nutzer kommentierte das Bild mit den Worten: "Ja Olaf, das Internet vergisst nie!"

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Screenshot der Falschbehauptung auf Facebook: 13.12.2021

Die "Rote Armee Fraktion" (RAF) war eine linksextreme und terroristische Vereinigung, die kurz nach den politischen Protesten der 68er-Bewegung und der "Außerparlamentarischen Opposition" entstanden ist. Ihre politische Kritik und Forderungen äußerte die RAF seit den 1970ern gewalttätig. Die Untergrundbewegung war für mehr als 30 Morde an Führungskräften aus Politik, Wirtschaft und Verwaltung verantwortlich.

Zeigt das Bild Olaf Scholz in Zusammenhang mit der RAF?

Bereits auf den ersten Blick fällt auf, dass es sich bei dem geteilten Bild um eine Collage zweier Bilder handelt. Im oberen Teil ist ein abgeschnittener Teil des RAF-Logos zu sehen, im unteren zwei Männer und ein Pfeil mit der Beschriftung "Olaf Scholz" und der Hinweis "Quelle: Aktuelle Kamera 1984".

Auf Youtube ist ein Video mit dem Titel "Aktuelle Kamera: Olaf Scholz (1984)" zu finden, das ebenfalls einen Ausschnitt aus der 1984 gezeigten DDR-Nachrichtensendung zeigt. Dort ist tatsächlich Olaf Scholz als Teil einer Delegation des Bundesvorstandes der Jungsozialisten der SPD zu sehen (hier, hier). Sie habe laut der Sendung den damaligen Sekretär des DDR-Zentralkomitees für Sicherheitsfragen, Jugend, Sport, Staats- und Rechtsfragen, Egon Krenz, getroffen. 

Das Video zeigt eine Kameraeinstellung, die die Delegation als Gruppe zeigt. Olaf Scholz (zweiter von rechts) sitzt dort vor einer weißen Wand. Ein RAF-Logo ist nicht zu sehen.

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Youtube-Screenshot vom 13. Dezember 2021 zeigt (v.l.n.r.) Norbert Neuser, Ulf Skirke, Rudolf Hartung, Olaf Scholz und Horst Wegner.

Ein Focus-Artikel vom 24. September 2021 zeigt außerdem ein historisches Foto von dem Treffen, das wiederum damals in der Tageszeitung "Junge Welt" zu sehen war. Die Ausgabe ist laut Bildunterschrift vom 4. Januar 1984. Sowohl die Haltung von Olaf Scholz als auch das Obst auf dem Tisch stimmen in Video und diesem Archiv-Foto überein. Ein RAF-Logo ist auch hier nicht zu sehen.

Scholz war zu dieser Zeit stellvertretender Bundesvorsitzender der Jusos (hier, hier). Bei dem Treffen sprach der Juso-Vorsitzende Rudolf Hartung laut eines Spiegel-Artikels über die Position des Nachwuchsverbands "im Kampf für Rüstungsbegrenzung und Abgrenzung" und versprach Unterstützung für die Aktionen der Friedensbewegung gegen die Stationierung von "Pershing II"- und "Cruise Missile"-Raketen in Westeuropa. AFP fand in den Artikeln und Videos zum Treffen keine Anhaltspunkte dafür, dass die RAF ein Thema bei den Gesprächen war.

Wer ist auf dem Foto mit Scholz zu sehen?

Der Focusartikel zeigt einen alten Bericht, auf dem wiederum eine Teilnehmerliste des Treffens steht. Die Jusos waren mit Norbert Neuser, Ulf Skirke, Rudolf Hartung, Olaf Scholz und Horst Wegner vertreten.

AFP Faktencheck hat von Neuser und Wegner keine Archivbilder gefunden und kontaktierte deshalb am 13. Dezember den Historiker Hubertus Knabe. Er hatte auch dem Focus das Foto des Archiv-Berichts zur Verfügung gestellt.

Er bestätigte gegenüber AFP in einer E-Mail, dass im Video ganz rechts der Bundessekretär der Jungsozialisten, Horst Wegner, zu sehen ist. Wegner ist auch der Mann neben Scholz auf dem auf Facebook geteilten Foto.

AFP fand zwischen Wegner und der RAF keine dokumentierten Verbindungen. Huber kommentierte die Behauptung eines RAF-Zusammenhangs von Scholz und Wegner mit den Worten: "Ganz schön dreist."

Fazit: Das auf Facebook kursierende Foto wurde manipuliert. Bei dem Treffen der Jungsozialisten mit Egon Krenz im Jahr 1984 war kein RAF-Logo zu sehen. Das belegen historische Videoaufnahmen und Zeitungsartikel. Das Foto zeigt tatsächlich den heutigen Bundeskanzler Olaf Scholz und Horst Wegner von den Jusos. AFP fand keine Verbindungen der beiden Politiker zur RAF. 

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