Die Rundung von Regenbögen ist kein Beweis dafür, dass die Erde eine Scheibe ist
- Veröffentlicht am 14. November 2023 um 11:38
- 7 Minuten Lesezeit
- Von: Till EICHENAUER, AFP Deutschland
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"Warum ist der Regenbogen ein Bogen?" wird in einem Video vom August 2023 auf Facebook gefragt, das hundertfach geteilt wurde. Die "Antwort" ist das Bild einer flachen Erde, mit einer durchsichtigen Kuppel darüber. Darauf folgen verschiedene Bilder von Halos, kreisförmigen Lichteffekten, die sich durch Eiskristalle in der Atmosphäre bilden. Diese werden ebenfalls mit einer Art Glaskugel in Verbindung gebracht.
Vertreterinnen und Vertreter der Flacherde-Theorie leugnen wissenschaftliche Beweise für die Erdkrümmung und behaupten etwa, dass es die Schwerkraft überhaupt nicht gebe oder die Geschichte der Raumfahrt eine Inszenierung sei. Wie auch im Facebook-Post wird die flache Erde oft mit der Antarktis als einem äußeren Eisring dargestellt, der als Barriere dient, damit die Meere nicht abfließen. Die wissenschaftliche Gemeinschaft lehnt die Flacherde-Theorie ab.
Die im Video thematisierten Regenbögen und Halos sind natürliche Phänomene, die unter bestimmten Voraussetzungen in der Atmosphäre der Erde auftreten. Dies erklärten Wissenschaftler gegenüber AFP.
Ein Regenbogen entsteht, wenn Sonnenlicht in Regentropfen gebrochen und reflektiert wird, wodurch es in seine verschiedenen Farben aufgespalten wird. Die charakteristischen sieben Farben des Regenbogens sind das Ergebnis dieser Lichtbrechung und -reflexion in den Wassertropfen. Bei einem Regenbogen handelt sich aber streng genommen nicht um einen Bogen, sondern um einen Kreis, von dem man oft nur einen Teil sieht, wie Philipp Reutter vom Institut für Physik der Atmosphäre der Universität Mainz in einer E-Mail am 30. Oktober 2023 an AFP erklärt: "Wie viel man vom Kreis sieht, ist dann abhängig vom Sonnenstand."
Sei die Sonne zu hoch am Himmel, könne man keinen Regenbogen sehen, so Reutter: "Daher sieht man Regenbögen meist am Morgen oder Abend. "Der Regenbogen ist auch nur sichtbar, wenn man die Sonne genau im Rücken hat und Regentropfen angestrahlt werden. Dadurch kommt es dann zur Brechung und Reflexion des Lichts, die wir dann in unserem Auge sehen."
Holger Tost, Professor für Umweltmodellierung im Klimasystem an der Universität Mainz, schreibt hierzu in einer E-Mail am 25. Oktober: "Ein Regenbogen ist gekrümmt, weil der Betrachter die Tropfen immer unter einem bestimmten Blickwinkel sieht. Etwa die rote Farbe bei 42 Grad, resultierend aus dem Brechungsindex von Wasser." Diese Ablenkung erfolge aber in alle Richtungen, und das resultierende Bild sei das eines Kegels oder Kreises. "Wenn man auf einem Berg steht, sieht man auch den unteren Teil des Bogens, also keine Kuppel!"
Unter den richtigen Bedingungen kann der Regenbogen auch aus einem Flugzeug als Kreis erscheinen. So zu sehen etwa hier, in einem Bild aus Island.
Halos an kalten Tagen
Halos seien einem Regenbogen im Prinzip sehr ähnlich, schrieb Philipp Reutter, der die Aufnahmen für AFP analysiert hat. "Auch die im Video gezeigten Halos kommen dadurch zustande, dass Licht gebrochen und reflektiert wird." Der Unterschied sei, dass es sich nicht um flüssige Tropfen, sondern um Eiskristalle handele. "Und die Sonne ist in diesem Fall nicht hinter dem Betrachter, sondern davor. Der Eindruck, dass ein Halo kuppelförmig ist, kommt durch die Geometrie der Partikel." Die dabei entstehenden, und sich teilweise überlagernden Lichtkreise können auf den Betrachtenden wie eine Kuppel wirken.
Holger Tost betonte, dass Halos ebenfalls kreisförmige Gebilde sind: "Da oft Halos im Winter beobachtet werden, geschieht dies oft bei niedrigem Sonnenstand, daher sieht man nur die Kuppel, beziehungsweise den oberen Teil des Kreises."
Den Ursprung von fünf der sechs im Video gezeigten Halos konnte AFP herausfinden. Dabei handelt es sich um Aufnahmen aus Kanada, New Mexico in den USA, Schweden und zwei Bilder aus Österreich. Die Halos werden dort jeweils als Naturphänomene beschrieben und nicht als Beweis für eine flache Erde herangezogen.
Theorie der flachen Erde
Das Bild im Video, das die flache Erde mit Kuppel darüber zeigt, wird bereits länger auf verschiedenen Webseiten verwendet, die sich mit der Flacherde- Theorie beschäftigen. Eine Rückwärtsbildersuche mit der kostenlosen Website Tineye zeigt als älteste Verwendung einen Blogeintrag der Seite "Flache-Erde-Wissenschaft und die Bibel" aus dem Jahr 2016.
Verschwörungstheorien, nach denen die Erde eine Scheibe ist, werden bis heute verbreitet. Jedoch hatte bereits der griechische Philosoph Aristoteles im vierten Jahrhundert vor Christus überzeugende Argumente für eine runde Form der Erde geliefert. Aristoteles beobachtete eine Mondfinsternis und erkannte, dass die Erde einen kreisförmigen Schatten auf den Mond wirft. Dies wäre nicht möglich, wenn die Erde eine Scheibe ist. Im dritten Jahrhundert berechnete dann der Philosoph Eratosthenes den Umfang der Erdkugel mit nur geringer Abweichung.
Holger Tost, beschreibt eine alltägliche Beobachtung, um die Rundung der Erdkugel selbst zu erfahren: "Wenn die Erde eine Scheibe wäre, würde man ja nicht den Effekt sehen, dass ein Schiff hinter dem Horizont verschwindet." Die Sichtweite könne auf der Erde bei guten Wetterbedingungen mehr als 30 Kilometer betragen, teilweise auch bis zu 100 Kilometer. "Dennoch verschwinden Objekte bei großen Entfernungen hinter dem Horizont aufgrund der Erdkrümmung – da kann auch das beste Fernglas nicht helfen, weil einfach keine Sichtlinie mehr besteht!"
Die Rundung der Erde ist auch aus dem Weltraum zu beobachten. Die amerikanischen Raumfahrbehörde Nasa zeigt auf ihrer Website (hier archiviert) verschiedene historische Aufnahmen von den ersten Bildern aus Ballonflügen in Stratosphäre in den 1930er-Jahren, bis hin zu Aufnahmen der Erde, gemacht von einer Saturn-Sonde über 1,2 Millionen Kilometer entfernt. Auch das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt beschäftigt sich auf seiner Website mit der Flacherde-Theorie und widerlegt einige Argumente von deren Verfechtern.
Zudem gibt es einen Livestream einer Kamera auf der Internationalen Raumstation (ISS), die die Erde umkreist. Hier kann man die Erde aus dem Weltall sehen, wenn die ISS gerade auf der sonnenbeschienen Seite befindet.
Auch anhand alltäglicher Beobachtungen lässt sich die Erdkrümmung nachvollziehen, wie Wissenschaftler der Universität Zürich darlegten (hier archiviert). So wird etwa durch die Flugdauer zwischen verschiedenen Städten auf dem Globus klar, dass die Erde eine Kugel ist.
Die Antarktis ist kein Ring um die Erde
Auf den Bildern der flachen Erde im Video ist die Antarktis als ein äußerer Ring zu sehen. Dort wird auch behauptet, die "Antarktis ist der höchste Kontinent der Erde".
Die Antarktis ist tatsächlich (hier archiviert) der Kontinent mit der höchsten Durchschnittshöhe. Zwar ist die höchste Erhebung nur etwa 4000 Meter hoch (der Mount Everest in Asien ist 8848 Meter hoch), jedoch liegt die durchschnittliche Höhe bei 2200 Metern. Der Kontinent mit der zweithöchsten Durchschnittshöhe ist Asien mit 960 Metern.
Jedoch kann die Antarktis kein erhöhter Ring um eine flache Erde sein. Warum, erklärte Philipp Reutter: "Ein Hinweis darauf, warum die Erde keine Scheibe ist, ist die Druckwelle des Vulkans Hunga Tonga-Hunga im vergangenen Jahr. Die Druckwelle des Ausbruchs konnte mit einem Barometer gemessen werden." Reutter hat in Mainz die Druckwelle nicht einmal, sondern zweimal gemessen (hier archiviert), da die Welle sich konzentrisch ausbreitete. "Wir haben also die Druckwelle einmal aus Osten und einmal aus Westen gemessen. Wäre die Erde eine Scheibe, wo wäre die Druckwelle reflektiert worden? Bei einer festen Wand hätte man viele reflektierte Wellen gesehen. Ähnlich, wie wenn man sich die Wellen in einer Schale mit Wasser vorstellen würde."
Zudem gibt es gut dokumentierte Durchquerungen der Antarktis, so etwa von Arved Fuchs und Reinhold Messner im Jahr 1989. Im Jahr 2019 hat eine autonome Segeldrohne die Antarktis umrundet und eine Vielzahl an Daten gesammelt.
Anhand zweier Bilder eines Stiefels des Raumanzuges, den der Astronauten Neil Armstrong bei seiner Mondmission getragen hat und eines Stiefelabdrucks auf der Mondoberfläche wird außerdem angedeutet, dass die Mondlandungsmission nicht stattgefunden habe. Dass die Mondlandung tatsächlich stattfand, hat AFP bereits in einem Faktencheck überprüft.
Fazit: Die Erde ist keine Scheibe, wie durch eine Vielzahl von Experimenten und Beobachtungen bewiesen ist. Auch gekrümmte Regenbögen und Halos sind dafür kein Beweis, sondern erklärbare, natürliche Phänomene, wie Experten gegenüber AFP erläuterten. Zudem ist auch die Antarktis kein ringförmiges Gebirge um eine scheibenförmige Erde.